Barrierefreiheit im Web
Barrierefreiheit im Web ist längst kein Nice-to-have mehr, sondern eine Notwendigkeit – sowohl aus rechtlicher Sicht als auch für eine bessere Nutzererfahrung. Für Unternehmen bietet die Gewährleistung der Barrierefreiheit nicht nur die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, sondern auch die Möglichkeit, ihre Reichweite zu vergrößern und die Benutzerfreundlichkeit zu optimieren. In diesem Artikel erklären wir, was Barrierefreiheit im Web bedeutet, welche gesetzlichen Vorgaben es gibt und wie Unternehmen ihre Webseiten entsprechend gestalten können. Dieser Beitrag ist als allgemeine Einführung in das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gedacht und ersetzt keine Rechtsberatung.
Was versteht man unter Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit im digitalen Raum bedeutet, dass alle Menschen – unabhängig von körperlichen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen – Zugang zu digitalen Inhalten und Dienstleistungen haben. Diese Einschränkungen können temporär sein, wie ein kaputtes Display, oder dauerhaft bestehen, wie bei Menschen mit Behinderungen. Rund 27% der EU-Bevölkerung lebt mit einer Form von Behinderung, was die Relevanz eines barrierefreien Zugangs zu digitalen Inhalten unterstreicht. In diesem Zusammenhang wird der Begriff Barrierefreiheit häufig verwendet, auch wenn tatsächlich eher eine Barrierearmut erreicht wird.
Barrierefreie Websites bieten dabei eine hohe Lesbarkeit durch klare Kontraste, angepasste Schriftgrößen sowie eine klare Struktur der Inhalte, welche für Screenreader-Nutzer optimiert sind. Diese Merkmale tragen dazu bei, digitale Barrieren aktiv abzubauen und eine für alle zugängliche Website zu schaffen. Die Vorteile der barrierefreien Gestaltung kommen jedoch nicht nur Menschen mit Behinderungen zugute – alle Nutzer profitieren von der verbesserten Usability und der optimierten Nutzererfahrung, die eine barrierefreie Website bietet.
Da es viele unterschiedliche Arten von Einschränkungen gibt und jede Person digitale Inhalte unterschiedlich erlebt und nutzt, lässt sich eine völlige Barrierefreiheit selten in vollem Umfang umsetzen.
Barrierefreiheit als Chance
Barrierefreiheit ist nicht nur eine Frage der Inklusion, sondern bringt auch viele Vorteile mit sich:
- Suchmaschinenoptimierung (SEO): Barrierefreie Inhalte sind oft besser strukturiert und erhalten in den Suchmaschinen ein besseres Ranking, was den Traffic erhöhen kann.
- Erhöhte Benutzerfreundlichkeit: Eine barrierefreie Website bietet allen Nutzern eine bessere und intuitive Bedienbarkeit und Benutzererfahrung.
- Steigerung der Conversion-Rate: Eine barrierefreie und einfach navigierbare Website erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Nutzer eine gewünschte Aktion ausführen, etwa Käufe tätigen oder Anfragen stellen.
Gesetzliche Richtlinien zur Barrierefreiheit
Die Anforderungen zur Umsetzung von Barrierefreiheit auf Webseiten werden zunehmend gesetzlich festgeschrieben. Bisher galt die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) hauptsächlich für öffentliche Einrichtungen. Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) am 28. Juni 2025 wird diese Regelung jedoch auch auf Unternehmen ausgeweitet. Dies betrifft nicht nur Webseiten, sondern auch Web-Apps und Online-Shops.
Welche Unternehmen betrifft das?
Unternehmen, die mehr als 10 Mitarbeiter oder mehr als 2 Millionen Euro Umsatz haben und Produkte oder Dienstleistungen digital anbieten, sind verpflichtet, ihre Webseiten barrierefrei zu gestalten. B2B sind zum aktuellen Zeitpunkt (Stand 05.11.2024) ausgeschlossen.
- B2C Unternehmen, die digital buchbare Dienstleistungen anbieten
- B2C Unternehmen, die digital erwerbbare Produkte anbieten
- B2C Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern
- B2C Unternehmen mit mehr als 2 Mio. Euro Umsatz
Auch wenn B2B-Unternehmen derzeit nicht gesetzlich zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, gibt es dennoch mehrere Vorteile, Websites barrierefrei zu gestalten. B2B-Websites profitieren durch eine bessere Nutzererfahrung für alle. Eine barrierefreie Website zeigt Engagement für Inklusion und soziale Verantwortung und kann ein positives Markenimage fördern. Außerdem erfüllen sie oft auch SEO-Best-Practices, da viele Maßnahmen zur Barrierefreiheit wie Alt-Texte für Bilder, logische Überschriften etc. zugleich von Suchmaschinen besser erkannt und gewichtet werden. Außerdem ist es durchaus möglich, dass Barrierefreiheitsanforderungen in Zukunft auch auf B2B-Unternehmen ausgeweitet werden. Unternehmen, die proaktiv barrierefreie Maßnahmen umsetzen, könnten sich so frühzeitig auf gesetzliche Änderungen vorbereiten und einen möglichen Anpassungsaufwand später minimieren.
Anforderungen des BFSG
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) bezieht sich auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und die europäische Norm EN 301 549, um klar definierte Standards für digitale Barrierefreiheit umzusetzen. Die WCAG unterscheidet dabei in drei Stufen:
- Stufe A: Muss
Beschreibt grundlegende Anforderungen, die für eine minimale Zugänglichkeit sorgen. Das betrifft die Bereitstellung von Alternativtexten für z. B. Bilder sowie die Sicherstellung, dass alle Funktionen der Website über eine Tastatur bedient werden können. - Stufe AA: Soll
Diese Stufe sollte erfüllt werden und erweitert die Anforderungen so, dass digitale Inhalte für eine breitere Nutzerbasis, einschließlich Menschen mit verschiedenen Behinderungen, zugänglich sind. Das umfasst unter anderem ausreichende Kontraste zwischen Text und Hintergrund, sinnvolle Überschriftstrukturen sowie ein responsives Design. - Stufe AAA: Kann
Diese Stufe wird als das höchstmögliche Maß an Barrierefreiheit angesehen und umfasst weiterführende Anforderungen, wie erweiterte Audiobeschreibungen für Videos, die jedoch oft mit mehr Aufwand verbunden sind.
Im Folgenden haben wir eine Reihe zentraler Fragen zusammengestellt, die Websitebetreibern dabei helfen, den aktuellen Stand ihrer Website in Bezug auf Barrierefreiheit zu überprüfen. Diese Fragen dienen als Leitfaden, um Schwachstellen zu erkennen und sicherzustellen, dass wesentliche Barrierefreiheitsthemen bereits umgesetzt sind.
Alt-Texte helfen Nutzern mit Sehbehinderungen, den Bildinhalt über Screenreader zu erfassen. Eine kurze, präzise Beschreibung ermöglicht ein besseres Verständnis und hilft auch der Suchmaschinenoptimierung (SEO).
Ein hoher Kontrast zwischen Text und Hintergrund erleichtert die Lesbarkeit, insbesondere für Menschen mit Sehbehinderungen oder Farbschwächen. Die WCAG empfiehlt spezifische Kontrastwerte, die als Richtlinie gelten.
Die Schrift sollte sowohl für Desktop- als auch für mobile Nutzer leicht lesbar und anpassbar sein. Eine flexible Schriftgröße ermöglicht Nutzern, die Anzeige an ihre Bedürfnisse anzupassen.
Menschen mit motorischen Einschränkungen oder ohne Zugang zu einer Maus sind oft auf die Tastatur angewiesen. Alle interaktiven Elemente wie Menüs und Formulare sollten daher vollständig per Tastatur steuerbar sein.
Die Textskalierung um mindestens 200 % ist eine wichtige Anforderung, da sie eine bessere Lesbarkeit für Menschen mit Sehbehinderungen gewährleistet. Inhalte sollten sich dabei responsiv anpassen, um die Nutzung auf allen Bildschirmgrößen zu ermöglichen.
Schaltflächen sollten groß und gut sichtbar sein, besonders auf mobilen Geräten. Dies erleichtert die Nutzung für Menschen mit motorischen Einschränkungen und verbessert die Benutzerfreundlichkeit allgemein.
Eine logische Reihenfolge der Überschriften erleichtert die Navigation für Screenreader-Nutzer und sorgt für eine klare Struktur der Inhalte. Die Hauptüberschrift (H1) sollte nur einmal verwendet werden.
Eindeutige und beschreibende Linktexte helfen Nutzern zu verstehen, wohin ein Link führt. Auch Screenreader-Nutzer profitieren von beschreibenden Links, da sie den Kontext leichter erfassen können.
Menschen mit Hörbehinderungen profitieren von Untertiteln und Transkriptionen. Diese helfen ihnen, alle Inhalte zu erfassen und steigern die allgemeine Zugänglichkeit der Multimedia-Elemente.
Flackernde Inhalte können gesundheitliche Probleme wie Epilepsie auslösen und sollten daher vermieden werden, um die Sicherheit und Zugänglichkeit für alle Nutzer zu gewährleisten.
Formulare sollten gut strukturiert sein und Fehlermeldungen klar anzeigen, damit Nutzer mögliche Eingabefehler leicht korrigieren können. Einfache und präzise Anweisungen sind hier entscheidend.
Die Barrierefreiheit einer Website besteht aus vielen verschiedenen Elementen, von der Struktur der Inhalte bis hin zur Nutzerführung gibt es zahlreiche Aspekte, die durchdacht und individuell angepasst werden müssen. Eine umfassende, manuelle Prüfung ist wichtig, um sicherzustellen, dass alle Zugangshürden identifiziert und beseitigt werden. Um Websitebetreiber bei diesem komplexen Prozess zu unterstützen, bieten wir einen speziellen Barrierefreiheits-Check an. Dieser Check hilft dabei, die Website gezielt auf Schwachstellen hin zu untersuchen und notwendige Maßnahmen klar zu identifizieren, um die Barrierefreiheit umfassend und nachhaltig zu optimieren.
Während an der vollständigen Barrierefreiheit gearbeitet wird, können kurzfristige Maßnahmen wie Overlays hilfreich sein, um zusätzliche Aspekte der Zugänglichkeit anzubieten. Sie bieten oftmals Anpassungen bei Kontrast und Schriftgröße und ermöglichen so manchen Nutzern eine bessere Bedienbarkeit. Allerdings sind Overlays oft selbst nicht komplett barrierefrei und können die grundlegenden Anforderungen an die Barrierefreiheit nicht voll ersetzen. Daher ist es empfehlenswert, dass essenzielle Barrierefreiheitsmaßnahmen unabhängig von Overlays umgesetzt werden, sodass alle Nutzer von einer zugänglichen Grundstruktur profitieren können.
Schritt für Schritt zur Barrierefreiheit
Der Einstieg in die Barrierefreiheit kann auf den ersten Blick überwältigend wirken, doch eine klare Analyse der Ausgangssituation legt den Grundstein für gezielte Maßnahmen. Eine sorgfältige Bestandsaufnahme hilft, die wesentlichen Kriterien zu prüfen. Barrierefreiheit umfasst aber nicht nur Webseiten und Apps, sondern auch digitale Dokumente wie PDFs und soziale Medien. Über soziale Medien können beispielsweise Bilder mit Alternativtexten und Bildbeschreibungen für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zugänglich gemacht werden.
Die Verantwortung für die Kontrolle der Barrierefreiheit im Internet liegt bei den Marktüberwachungsbehörden. Bei Verstößen können diese zur Nachbesserung auffordern und im Wiederholungsfall Sanktionen verhängen, die von Bußgeldern bis zur Sperrung von digitalen Angeboten reichen. Ab dem 28. Juni 2025 müssen daher alle zukünftigen Inhalte auf Webseiten barrierefrei sein. Für bereits bestehende Inhalte gilt eine Übergangsregelung bis Mitte 2030.
Zusammengefasst zeigt sich, dass die Umsetzung von Barrierefreiheit auf Websites nicht nur gesetzliche Anforderungen erfüllt, sondern auch konkrete Vorteile für Unternehmen bietet. Eine barrierefreie Website stärkt das Nutzererlebnis, steigert die SEO-Wirkung und zeigt ein verantwortungsbewusstes Unternehmensbild. Der Einsatz von barrierefreien Maßnahmen mag zunächst herausfordernd erscheinen, wird sich jedoch langfristig auszahlen – durch gesteigerte Nutzerbindung, verbessertes Ranking und eine insgesamt inklusivere Online-Präsenz.
Sie benötigen Unterstützung bei der Sicherstellung der Barrierefreiheit oder haben weitere Fragen? Dann kontaktieren Sie uns einfach unter info@websedit.de oder telefonisch unter +49 751 354104-0.